Page Content
There is no English translation for this web page.
Chinas Auslandsstudierende im Spiegel der Zeit
Im ausgehenden 19. Jahrhundert entsandte das Qing-Reich 120 Schüler zwischen elf und- fünfzehn Jahren in die USA. Sie sollten dort zur Schule und auf die Universität gehen, um vor allem mit technischer Expertise, an der es China damals fehlte, heimzukehren. Diese sogenannte China Educational Mission wurde 1881 wegen der zu starken Assimilierung der jungen Chinesen an die US-amerikanische Kultur jäh beendet, die Jungen heimgeholt. Dessen ungeachtet gilt sie als der erste Schritt Chinas zu einer sich bis heute fortsetzenden, politisch unterstützten Entsendung von Studierenden ins Ausland. Während bis zur Reform- und Öffnungspolitik etwa 130 000 Auslandsstudierende gezählt wurden, studierten allein 2016 über eine halbe Million junge Chinesen und Chinesinnen überall auf der Welt; die Volksrepublik China ist unter Xi Jinping einmal mehr bestrebt, das Auslandsstudium ebenso zu fördern wie Anreize für die Heimkehr zu setzen – und rühmt sich mit Erfolgen: Beide Zahlen steigen nach eigenen Angaben kontinuierlich an. Rückkehrer finden sich nicht selten in hohen Positionen mit guten Gehältern wieder. Und doch scheint das Ansehen der Auslandsstudierenden ambivalent zu sein: Sie werden einerseits als „Meeresschildkröten“ (haigui 海龟) bezeichnet, müssen sich andererseits aber „Vergoldete“ dujin 镀金 nennen lassen – außen wertvoll, aber im Innern?
Der Vortrag möchte zweierlei: zum einen die Chronologie chinesischer Auslandsstudierender nachzeichnen, zum anderen, auch mit Blick auf die gegenwärtige Situation, Fragen nachgehen wie: Mit welchen Programmen gehen chinesische Studierende ins Ausland? Was wird studiert und wo? Welchen Status haben Rückkehrer? Ist die einstige Furcht vor kultureller Assimilierung ans Ausland noch gegenwärtig und, wenn ja, werden Maßnahmen ergriffen? Wie erfolgt ggf. eine Bindung an das Heimatland? Ziel des Vortrags ist eine Evaluierung des chinesischen Auslandsstudiums unter Berücksichtigung des historischen Kontextes.
CV
Kerstin Storm studierte Sinologie, Politikwissenschaft und Wirtschaftspolitik in Münster und Taipei, bevor sie einige Jahre für ein deutsches Unternehmen in Qingdao arbeitete. 2012 promovierte sie über das Thema Kindheit im Gedicht und arbeitet nun an ihrer Habilitationsschrift, die das Zusammenspiel von Recht und Literatur in tangzeitlichen Prüfungsaufsätzen untersucht. Seit 2013 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sinologie und Ostasienkunde der WWU Münster.